Aufstellungen nach Hellinger und ihre Weiterentwicklung.
Der Psychoanalytiker und Theologe Bert Hellinger startete 1978 mit der therapeutischen Technik des Familienstellens. Diese Technik wurde schnell populär und fand zahlreiche Anhänger.
Sie diente anfangs vor allem dem Sichtbarmachen der (Un-)Ordnung von Familiensystemen. Auf erstaunliche Weise kamen Wirkungen sog. schwarzer Schafe in der Familie ans Licht.
Die systemische Aufstellungs-Arbeit wurde im Laufe der Jahre wesentlich weiterentwickelt und verfeinert.
Für viele Heilungssuchende ist sie eine der ersten Anlaufstellen, um außerhalb physischer Symptom-Bekämpfung wichtige psychische Ursachen zu ermitteln.
Überblick
- Wie funktionieren systemische Aufstellungen?
- Für welche Fragen sind sie geeignet?
- Psychodrama
- Die Gültigkeit der Ergebnisse
- Wert ungelöster Aufstellungen
- Welche Varianten gibt es?
- Vorteil verdeckter Aufstellung
- Auch die Stellvertreter profitieren.
- Wann sind systemische Aufstellungen am hilfreichsten?
Wie funktionieren systemische Aufstellungen?
Ordnungen innerhalb zB. von Familien-Systemen können in größeren geeigneten Räumen mittels Stellvertretern dargestellt werden. Hellinger hat einige dieser Ordnungen entdeckt: ZB. ist die Alters-Reihenfolge der Kinder wichtig. Das ist auch bedeutend für Kinder, die vor der Geburt gestorben sind. Denn sie sind weiterhin Teil des Systems.
Intuitiv plaziert der Fragesteller andere Teilnehmer als Stellvertreter von seinen Familien-Angehörigen irgendwo im Raum. Die entstandenen räumlichen Nähen und Oppositionen erzeugen ein Bewußtseinsfeld sowie eine Dynamik, die im Laufe der Aufstellung wichtige Erkenntnisse und manchmal auch Lösungen liefert.
Das Ergebnis kann sich dann in näherer Zukunft spürbar und neu-ordnend auf das Familien-System auswirken.
Für welche Fragen sind sie geeignet?
Ursprünglich dienten systemische Aufstellungen dem Erkennen von Unordnung innerhalb von Familien. Besonders harte Schicksale wie Krieg, Mißbrauch, Mord, Verrat, schwere „Krankheit“, Verlust usw. können in ihren Auswirkungen sichtbar gemacht werden.
Nicht selten übernehmen Enkel unbewußt Belastungen ihrer Großeltern und können diese mit Hilfe einer Aufstellung wirkungsvoll auf symbolische Weise an den Großvater oder die Großmutter zurückgeben.
Im Laufe der Zeit haben sich viele Aufsteller an ganz andere Fragen herangewagt, die jenseits von Familiensystemen liegen.
Es wurden internationale Konflikte oder Länder ebenso aufgestellt wie Fragen nach der Gesundheit der Hauskatze. Ich will hier keine Liste aller Fragestellungen liefern, sie wäre beinahe unendlich.
Doch es wird einleuchten, daß einige Fragen fehl am Platze sind. Zum Beispiel die Frage, ob Person X der richtige Ehepartner ist. Für mein Empfinden ist dafür immer noch in erster, zweiter und dritter Linie das eigene Herz zuständig. Man oder frau sollte sich nicht um das direkte Befragen des eigenen Herzens herummogeln.
Von allgemeiner Warte betrachtet liegt es nahe, nur gestörte oder „krankmachende“ Verhältnisse zu untersuchen. Denn es ist vor allem ein therapeutisches Werkzeug.
Psychodrama
Neben klassischen Aufstellungen gibt es ein paar Varianten, die nicht unbedingt eine nur therapeutische Zielrichtung haben. Eine davon ist das Psychodrama.
„Ziel des Psychodramas ist die Aktivierung und Integration von Spontaneität und Kreativität. Konstruktives spontanes Handeln ist zustande gekommen, wenn der Protagonist für eine neue oder bereits bekannte Situation eine neue und angemessene Reaktion findet.“ – Moreno, 1959, S. 34
Ich hatte einmal Gelegenheit, an einer Rollentheater-Übung teilzunehmen. Der Fragesteller wollte wissen, ob er im Bereich Solartechnik monatliche Einkünfte von 10.000 € erzielen könne.
In diesem Spontan-Theater war meine Rolle die des Geldes, also der 10.000 €. Der Stellvertreter des Fragestellers hatte zunächst seine ganze Aufmerksamkeit auf seine Mutter gerichtet, so daß ich – die 10.000 € – zunächst gar nicht von ihm beachtet wurde. Erst als er sein Mutterthema geklärt hatte, begann er auf mich zu schauen.
Daraufhin gehörte ich ihm sofort ganz, das konnte ich deutlich spüren. Ich war ja schließlich seine Idee. Das erlebte Gefühl fand ich überaus spannend und interessant: Es verstärkte meine Überzeugung, daß kein Projekt am Geld scheitern kann, wenn die Vision und Absicht klar genug und der Fokus eindeutig ist.
Die Gültigkeit der Ergebnisse
Eine Aufstellung basiert stets auf den momentan herrschenden Energien und Zuständen. Auch ihr Ergebnis bezieht sich darauf. Deshalb kann eine bestimmte Fragestellung bei einer Wiederholung zu anderen Ergebnissen führen.
Doch wie verläßlich sind die Ergebnisse überhaupt? Das hängt von einigen Faktoren ab:
- die Fähigkeit der Leitung, in Vorgesprächen die wesentlichen Fragen herauszuarbeiten,
- die Fähigkeit der Leitung, abwegige Fragen auszuschließen,
- die Fähigkeit sowohl der Leitung als auch aller Stellvertreter, jegliche Ego-Interpretationen draußen zu lassen,
- die Fähigkeit der Leitung, sich leer zu machen und sich der Unterstützung des „Heiligen Geistes“ gewiß zu sein,
- die Fähigkeit der Leitung, das aufgebaute Bewußtseinsfeld weitgehend zu erfassen und verborgene Zusammenhänge zu erahnen,
- die Bereitwilligkeit der Fragestellerin, sich für überraschende Antworten zu öffnen.
Im Laufe der Jahre habe ich selbst an zahlreichen Aufstellungen mitgewirkt. Dabei erlebte ich auch Dauer-Teilnehmer, die dort wiederholt ihren „großen Auftritt“ hinlegten, also extrem ego-gesteuert mitspielten. Interessanterweise war das jedoch meistens kaum hinderlich für das Finden einer Lösung.
Die optimale Leitung
Systemische Aufstellungen sind für Anfänger als Einstieg geeignet, bevor sie sich in tiefere Prozesse wagen. Ungünstig für einen wirklichen Erfolg sind unerfahrene Anfänger als Leiter, die sich selbst noch nicht in tiefere Prozesse vorgewagt haben.
Das ist allgemeingültig. Je erfahrener die Therapeutin ist, desto wahrscheinlicher kann sie optimale Unterstützung geben.
Wert ungelöster Aufstellungen
Der größte Wert einer Aufstellung wird nicht unbedingt erreicht, wenn eine Lösung gefunden wurde. Fast im Gegenteil: Gerade ungelöste Aufstellungen regen die Fragestellerin an, quasi als Hausaufgabe aktiv zur Lösung zu drängen.
Gelöste Aufstellungen können dazu verführen, die Hände in den Schoß zu legen und zu glauben, alles Wesentliche sei jetzt erledigt.
Männer spielen sehr gern die Stellvertreter-Rolle.
Für Männer ist diese Therapieform nicht selten eine risikoarme Übung, die Gefühlswelt kennenzulernen. Als Stellvertreter einer anderen Person ist die innere Hemmung nicht zu groß, hochkommende Gefühle laut auszudrücken – anders als bei eigenen Gefühlen.
Es ist für sie deshalb eine günstige Gelegenheit, sich in kleinen Schritten der eigenen Psyche zu öffnen.
Systemische Aufstellungen können manche überraschende Hilfe auf dem Heilungsweg geben. Auch sind sie nach meinen eigenen Erfahrungen sehr gut geeignet, sich überhaupt dem Nicht-Physischen, also der Seele irgendwie therapeutisch zu nähern.
Tiefere Erkundungen der eigenen Psyche, zB. das Erkennen von Traumata, gelingen meistens eher in entsprechender Einzeltherapie. Zumindest habe ich es so erfahren.
Welche Varianten gibt es?
Erwähnt habe ich bereits die klassische Familien-Aufstellung sowie das Psychodrama. Letzteres wird sowohl therapeutisch angewendet als auch zur Klärung von Fragen, ob ich zB. mit einem beruflichen Projekt 10.000 € verdienen kann.
Die klassische Aufstellung findet – wie oben bereits angedeutet – auch außerhalb von Familiensystemen immer mehr Anwendungsfelder. Und auch die Durchführung kann auf unterschiedliche Weise geschehen.
Bei Hellinger und seinen Nachfolgern war es längere Zeit unüblich, Eigendynamik in Form von autonomen Bewegungen der Stellvertreter zuzulassen. Sämtliche Bewegungen, zB. von anderen Stellvertretern weg oder zu ihnen hin, wurden von der leitenden Person geführt.
Auch sog. Lösungssätze wie „Ich vergebe Dir von ganzem Herzen.“ wurden von der Leiterin intuitiv einem Stellvertreter in den Mund gelegt – natürlich mit der Frage, ob es sich stimmig anfühlt, den angebotenen Satz dem Gegenüber zu sagen.
Aufstellungen mit farbigen Matten
An einer sehr fortschrittlichen Variante habe ich etliche Male als Assistent teilgenommen. Wesentliches Merkmal sind Moosgummi-Matten in vielen verschiedenen Farben, die zunächst anstelle von Personen im Raum verteilt werden.
Das geschieht ebenso intuitiv wie das Stellen von Personen. Die Matten werden mit geschlossenen Augen ausgewählt.
Eine Mini-Aufstellung mit farbigen Matten zum Thema „Borrelien“ habe ich in diesem Artikel beschrieben.
Folgende Spielarten verbessern die Wirkung der Aufstellung:
- Nur die Leitung kennt die Fragestellung. Das Risiko von ego-gesteuerten Einlassungen wird dadurch minimiert.
- Die Matten werden üblicherweise von der Fragestellerin gelegt, und zwar ohne mitzuteilen, für welche Rolle die Matte hingelegt wird. Alternativ kann sie jemanden unter den Anwesenden bitten, die Matten zu legen.
- Alle Anwesenden berichten reihum ihre spontanen Assoziationen beim Blick auf die im Raum verteilten Matten. Dabei gibt es häufig erste wichtige Hinweise für den Fragesteller.
- Im nächsten Schritt kann gefragt werden, wer sich von welcher Matte angezogen fühlt, und die Matten werden entsprechend besetzt. Das kann auch dazu führen, daß sich zwei Menschen eine Matte teilen, während ein oder zwei Matten unbesetzt bleiben.
- Auf den Matten stehend beschreiben die Stellvertreter nacheinander, was sie fühlen oder welche Bilder auftauchen. Sie kennen ihre Rolle ja nicht, so daß ihre Intuition voll zum Tragen kommen kann.
- Spontane Bewegungen sind erlaubt, ohne von der Leitung geführt zu sein.
Weitere Varianten
Auf dieser Seite des „Syst Institutes“ werden eine ganze Reihe von Grundformen incl. ihrer Abwandlungen vorgestellt.
Hier möchte ich mich nur darauf beschränken, selbst Erlebtes zu erwähnen.
Zum Beispiel gibt es auch Aufstellungen mit relativ detaillierten Vorgaben. In Hamburg erlebte ich während eines Seminars zu „Ein Kurs in Wundern“ eine spannende Aufstellung mit nur 2 Rollen: Gott und sein Sohn (bzw. Tochter).
Dieses Rollenspiel fand in sieben Zweier-Gruppen statt – parallel nebeneinander. Jede(r) kam nacheinander in beide Rollen. Als Sohn sollten wir uns möglichst authentisch verhalten. Also unter Umständen Gott den Rücken kehren oder den St….finger zeigen.
Nur wenn es sich gut anfühlte, gingen wir auf Gott zu und blieben mitunter eine ganze Weile auf halber Strecke stehen. Vielleicht kam es zum Schluß zu einer liebevollen Umarmung (Vereinigung).
Als ich in der Rolle Gottes meinem Sohn gegenüber stand, erlebte ich starke, kontinuierliche Liebeswellen in seine Richtung, und es war völlig egal, was er tat oder unterließ.
Auch per Zoom sind Aufstellungen wirkungsvoll.
Eine andere, sehr interessante Aufstellung fand per Zoom statt, und es gab zunächst nur die Leiterin und mich. 14 längsseits gefaltete Briefbögen wurden von mir wie Dächer auf dem Boden plaziert, um drei Generationen meiner Vorfahren zu repräsentieren. Jeweils 2 legte ich mit etwas Abstand nebeneinander. Das erste Paar repräsentierte meine Eltern, in die nächste Reihe kamen die vier Großeltern, und dahinter die acht Urgroßeltern.
Meine Aufgabe war, intuitiv hinzuspüren, welcher meiner Vorfahren mich am meisten anzog. Dort stellte ich mich neben das „Dach“, also zB. neben meinen Großvater. Daraufhin sollte ich nacheinander in vier Richtungen schauen:
Nach hinten, zu seinen Eltern, nach links zu seiner Ehefrau, nach vorn zu seinen Kindern und nach rechts zu Verbindungen außerhalb der Familie, zB. zu einer unerfüllten Liebe.
Auf diese Weise kamen ein paar Großvater-Themen hoch, die bisher auch in mir unerlöst weiterlebten.
In einem anderen Fall verabredete ich eine Zoom-Sitzung mit einer Therapeutin, die für mich die farbigen Matten auslegte und sich nacheinander auf jede Matte stellte. Sie beschrieb alle Gefühle und Gedanken, und ich konnte damit später allein weiterarbeiten.
Vorteil verdeckter Aufstellung
Weiter oben habe ich bereits deutlich gemacht, worin der Vorteil einer verdeckten Aufstellung liegt. Das ganze Wesen der Aufstellungs-Technik basiert ja auf dem Kontakt mit abwesenden, unsichtbaren Seelen und geistigen Aspekten. Ihr Erfolg steht und fällt mit der Ab- bzw. Anwesenheit von verstandesmäßigem Rollenspiel.
Optimal agieren wir nicht als logisch denkende Personen, sondern als intuitiv erfassende Seelen untereinander. Die Kraft und die Fähigkeit dazu steht uns zur Verfügung, besonders dann, wenn der Verstand draußen bleibt.
Je weniger Informationen bekannt sind, desto schöner und wahrhaftiger können sich die vorhandenen (Un-)Ordnungen zeigen, entfalten und manchmal auch lösen.
Auch die Stellvertreter profitieren.
Die Aufstellungsarbeit liefert nicht nur für die aktiven Fragesteller Antworten. Deshalb ist die bloße Teilnahme als „Statist“, also als Stellvertreter, sehr zu empfehlen, zumal dafür die Preise erheblich günstiger sind.
In den meisten Aufstellungs-Workshops, an denen ich beteiligt war, gab es nicht nur Antworten oder Lösungen für diejenigen, die eine Aufstellung machten. Auch die meisten der übrigen konnten erheblich von diesen Aufstellungen profitieren. Auch ihre Themen wurden auf elegante Weise mit erledigt.
Ich vermute, daß unsere kollektive Intelligenz dafür sorgt, daß stets die passende Anzahl von Teilnehmern zustande kommt und diese auch zu den aufgestellten Inhalten die geeignete Resonnanz haben. Zumindest konnte ich dieses Phänomen fast jedesmal erleben.
Wann sind systemische Aufstellungen am hilfreichsten?
Eine Antwort darauf gab ich schon weiter oben: Als Einstieg für Anfänger in Sachen Psychotherapie. Außerdem ist eine systemische Aufstellung immer sinnvoll, wenn es deutliche Hinweise darauf gibt, daß es Ursachen für eigene Störungen im familiären System gibt. Beispiel: Häufige schwere Krankheiten.
Nicht selten werden die sog. schwarzen Schafe bzw. ihre „Schuld“ in der Familie erfolgreich verdrängt. Mit einiger Wachsamkeit ist dies jedoch meist auffällig genug, daß sich Detektivarbeit lohnt. Um alles in der Familie unter den Teppich Gekehrte ans Licht und in die Ordnung zu bringen, bieten sich systemische Aufstellungen geradezu an.
Nicht immer ist es das Familiensystem, das eine „Erkrankung“ programmiert. Die Aufstellungs-Technik kann dennoch ein sehr gutes Hilfsmittel sein, um zu den psychischen Ursachen zu kommen. Lies dazu auch gern diesen Artikel über die Rolle der Borrelien.
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