Die notwendige Lern-Aufgabe des Ego.
Zu gern möchten wir mit allen unseren Projekten erfolgreich sein und unsere Träume verwirklichen. Und manchmal möchten wir uns vergewissern, daß alles richtig läuft.
Vor etlichen Jahren – ich hatte gerade ein Coaching-Projekt gestartet – wollte auch ich Antworten auf gewisse Fragen haben.
Die Gelegenheit war günstig: Ich ergriff die Tarot-Karten meiner Freundin, um nach dem „Göttlichen Plan“ zu fragen.
Dazu gehören acht Karten, die ich vor mich hinlegte.
Befragung des Tarot
Das Ergebnis war extrem krass:
6 Karten zeigten ein vollständiges Scheitern, und die übrigen 2 waren höchstens neutral. Es war keine positive Karte dabei!
Ich „wußte“ sofort: Das war keine gute Idee, die Karten zu befragen!
Also schob ich alle Karten zusammen, packte sie ein und vergaß die Sache.
Ein halbes Jahr später wurde mir während einer Meditation plötzlich bewußt: Mein Projekt ist völlig gescheitert. Allerdings tauchte gleichzeitig eine großartige Erkenntnis auf, die mich veranlaßte, ein Buch darüber zu schreiben.
Während des Schreibens verflüchtigte sich die Erkenntnis. Und ehe ich mich versah, war ich dabei, eine kleine Autobiografie zu schreiben. Komisch: Eigentlich fühlte ich mich noch lange nicht in dem Alter, in dem normalerweise solche Biografien in Buchform gegossen werden.
Neue wichtige Puzzleteile
Doch es hatte mich gepackt. Umso mehr, als ich während des Schreibens wichtige Puzzleteile zum Verständnis einiger bedeutsamer Ereignisse in meinem Leben fand.
Mit dem Schreiben konnte ich gar nicht aufhören, bis das Büchlein fertig war. Und zu einem richtigen Buch gehört auf jeden Fall ein „Danke“-Kapitel. Ja, ich war sehr dankbar, die Puzzleteile gefunden zu haben. Wem war ich dankbar? Im Grunde allen Verwandten und Freunden, denen ich auf dem Lebensweg begegnen durfte.
Natürlich dankte ich auch Gott für alles.
Und plötzlich wußte ich, wie der Titel lauten muß:
„Dankbar vollständig scheitern“
Mir dämmerte es auf einmal, wie wichtig das Scheitern für mich ist. Es ist die bittere Erfahrung meines Egos, daß es unfähig war, das Leben zu kontrollieren. Seine Erkenntnis, daß seine „liebsten Projekte“ nur auf Treibsand gründen, wenn sie nicht dem Willen Gottes entsprechen. Vielleicht sogar dann, wenn sie es tun. Treibsand statt Fels.
Nach dieser Erkenntnis war ich irgendwie froh. Erleichtert. Einfach glücklich. Trotz des Scheiterns? Nein. Wegen genau dieser Erfahrung. Ich spürte tief im Herzen, daß sie notwendig und unausweichlich war.
Und durch das Buch-Schreiben hat sich die gewonnene Erkenntnis noch intensiviert.
Auch heute – viele Jahre später – ist mein Ego weiterhin im Spiel. Doch es ist um einiges kleinmütiger geworden. Es gelingt ihm nicht mehr, so zu tun, als ob es nur mit dem Finger zu schnipsen braucht, und alles geschieht nach seinem Befehl.
Denn es hat seine Glaubwürdigkeit beinahe völlig eingebüßt und weiß dies auch.
Irgendwann verhielt ich mich gegenüber einem Menschen unangemessen aggressiv und war selbst gleich ziemlich erschrocken über mein „Fehlverhalten“. Zuhause ging ich in mich und entdeckte schnell mein Ego als den Urheber der Aggression. Irgendwie kam ich dann auf die Idee, mein Ego einfach mal in den Arm zu nehmen und liebzuhaben, statt es – ebenfalls mit dem Ego – zu bekämpfen.
Da spürte ich, wie es sagte: „Jetzt bin ich bereit zu sterben.“
Entsteht ein Ego nicht in den meisten Fällen in Situationen, wo wir alles andere als geliebt werden? Schon in unserer Kindheit?
Muß in jedem dieses Scheitern geschehen?
Warum muß man mindestens einmal vollständig scheitern? Weil das Ego diese Erfahrung schlucken muß. Das Erlangen eines „Ich-Bewußtseins“ ist ein notwendiges Zwischenziel in unserer Entwicklung, um es schließlich zu transzendieren.
Auf dieser Reise ist das Ego zunächst unser Begleiter. Doch irgendwann erkennen wir unser Verbunden-Sein mit Allem was ist. Unser Eins-Sein mit Gott, der LIEBE, Christus und Schöpfung.
Wir erleben die grenzenlose Fülle des Universums und können uns aus dem irrtümlichen Mangel-Bewußtsein lösen.
Endlich müssen wir uns eingestehen, daß die Widersacher-Rolle des Egos ausgespielt ist. Denn wir können uns nicht von der Hälfte der Schöpfung distanzieren, ohne unser göttliches Selbst zu leugnen.
Gott ist LIEBE. Und es gibt nur LIEBE. Unser Ego kennt diese Liebe nicht und kann nicht wirklich lieben. Es basiert auf Urteilen und Ablehnung, statt auf bedingungsloser Liebe.
Es fühlt sich in „seinem“ Körper zuhause und verneint die Existenz unseres Christus-Selbstes.
Und nach dem Scheitern? Wie geht es weiter?
In einigen spirituellen Kreisen wird von der Notwendigkeit der „Ich-Zerbrechung“ gesprochen und das Ego als zu bekämpfender Feind betrachtet, der „gekreuzigt“ werden muß. Lies dazu auch in diesem Artikel.
Interessanterweise war es bei mir jedoch das genaue Gegenteil: Als ich anfing, mein Ego einfach zu lieben, signalisierte es seine Bereitschaft, aufzugeben.
Die Botschaft, ich müsse den Kampf aufgeben, erhielt ich vor vielen Jahren schon, und zwar durch ein entzündetes dickes Knie. Der ans Licht gebrachte „innere Rebell“ konnte einsehen, daß seine Haltung in eine Sackgasse führt. Dennoch wird er von meinem Ego immer noch gefüttert und bei Gelegenheit zurück ins Spiel hineingemogelt. Wenn ich es zulasse.
Warum überlebt das Ego alle Erkenntnisse über Sackgassen und Liebe so lange? Vielleicht, weil wir noch manche eingeschlossene Emotion in uns tragen – vielleicht geerbt von den Ahnen. Emotionen, die ebenfalls auf einen Mangel an Liebe basieren und Rechtfertigungen für das Weiterleben des Egos sind.
Alle Formen des Scheiterns sind hilfreich.
Jeder erfolgreiche Unternehmer bezieht den Erfolg auch aus der Fähigkeit, sich nach einem Scheitern wieder emporzurappeln. Und das Ego, das ja gern den General-Unternehmer spielt?
Vielleicht muß es etliche Male scheitern. So lange wie es der Wille Gottes ist. Bis es aufgibt, sich wieder emporzurappeln und dann dort hingepflanzt wird, wo es nicht länger das Steuer in der Hand halten kann: Auf den Rücksitz.
Denn das Steuer gehört unserem Selbst, das im Herzen wohnt und längst weiß, wann seine „Zeit“ gekommen ist, das Steuer zu ergreifen.
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